Der folgende Text basiert auf dem Werk:

König, Werner / Schrambke, Renate (1999): Die Sprachatlanten des schwäbisch-alemannischen Raumes: Baden-Württemberg, Bayerisch-Schwaben, Elsaß, Liechtenstein, Schweiz, Vorarlberg. Bühl: Konkordia-Verlag (Themen der Landeskunde 8).

Wir danken den Autoren für die freundliche Bereitstellung.

a) Vorgeschichte

Eugen Gabriel aus Dornbirn in Vorarlberg, der im Rahmen eines zweijährigen Forschungsstipendiums am deutschen Sprachatlas in Marburg arbeitete, erhielt von dort die Anregung, einen „Vorarlberger Sprachatlas“ zu schaffen. Er wandte sich an Rudolf Hotzenköcherle, den Gründer und Herausgeber des SDS, der ihn im Sommer 1963 in seiner Arbeitsstelle in Zürich in die theoretische Seite eines Atlas-Projektes einarbeitete; die praktische Schulung erfolgte 1964 bei Lehraufnahmen in Ruggell und Triesenberg (Liechtenstein).

b) Das Untersuchungsgebiet und das Ortsnetz

Der VALTS dokumentiert die alemannischen Mundarten von Vorarlberg und Liechtenstein. Darüber hinaus wird der alemannisch-bairische Grenzbereich in einem Teilstück ausführlich durch Aufnahmen in West- und Südtirol dargestellt. Weiterhin ist ein Teil des sich nördlich an Vorarlberg anschließenden Allgäus in das Unter­suchungs­gebiet einbezogen: im Westen bis zur baden-württember­gisch / bayerischen Landesgrenze, im Norden etwa bis in die Höhe von Kempten.

In Vorarlberg wurden 86 Aufnahmen durchgeführt; bei 96 politischen Ge­meinden entspricht dies einer Ortsnetzdichte von 89,6% — ein einsamer Rekord für einen Sprachatlas. In Liechtenstein wurden alle 11 Gemeinden erfaßt. Im südlichen Allgäu wurden 37 Aufnahmen durchgeführt, in West- und Südtirol (in den Gerichtsbezirken Reutte, Landeck und Imst sowie in drei Orten des Gerichts­bezirks Innsbruck, dem Vintschgau und dem Passeiertal) 62 Aufnahmen. Eine Aufnahme stammt aus dem schweizerischen Samnaun. Damit sind im VALTS insgesamt 196 Aufnahmeorte erfaßt, also außerhalb von Vorarlberg 110!

c) Das Fragebuch

Das Fragebuch des SDS wurde von Eugen Gabriel mit geringfügigen Änderun­gen für seine Aufnahmetätigkeit in Vorarlberg und Liechtenstein übernommen. Dabei konnten von den rund 2 500 Fragen ungefähr 2 400 in jedem Ort gestellt werden. Weggelassen wurden wortgeographische Fragen, von denen angenom­men werden konnte, daß sie in Vorarlberg und Liechtenstein unergiebig sein würden. Dazu gehörten Kapitel, die aus sachlichen Gründen wegfallen mußten: die Kapitel „Fischerei“ und „Weinbau“ konnten beispielsweise nur in insgesamt vier Orten erhoben werden. Einzelne Fragen wurden von Eugen Gabriel im Lauf der Aufnahmetätigkeit geändert bzw. neu hinzugefügt.

Für den bairischen Sprachraum wurde das Schweizer Fragebuch von Eugen Gabriel, Herbert Tatzreiter und Werner Bauer neu geschrieben, wobei die Kapitel­einteilung sowie die Seitenzählung beibehalten, die einzelnen Seiten je­doch um eine Anzahl von Fragen, die für das Bairische notwendig bzw. erfolg­versprechend erschienen, erweitert wurden. Mit diesem Fragebuch wurden die Aufnahmen in Tirol und die ersten 21 Aufnahmen im Allgäu durchgeführt.

Für die weitere Aufnahmearbeit im Allgäu wurde das neue Fragebuch des SSA verwendet, das im wesentlichen von Werner König redigiert worden war (vgl. S. l03 f.).

Für Nacherhebungen wurde ein Kontroll- und Ergänzungsfragebuch mit rund 400 Fragen zusammengestellt.

d) Die Durchführung der Aufnahmen

Die Exploration fand in den Wintermonaten statt. Als Lautschrift wurde, wie beim SDS und ALA, das Teuthonista-Transkriptionssystem verwendet.

Die Aufnahmeorte in Vorarlberg und Liechtenstein wurden von Eugen Gab­riel in den Jahren 1964−1968 erhoben. Zusammen mit Werner König hatte er schon im Herbst 1966 eine Aufnahme in Oberstaufen durchgeführt. In den Jah­ren 1971−1974 wurden im Allgäu von Werner König 32, von Eugen Gabriel fünf Aufnahmeorte erhoben.

In den Jahren 1971−1977 führte Eugen Gabriel, anfangs gemeinsam mit Werner König, Aufnahmen in West- und Südtirol durch; 49 Aufnahmen stammen von Eugen Gabriel, 11 Aufnahmen, vor allem in dem an das Allgäu anschließenden Gerichts­bezirk Reutte, von Werner König. Zwei Aufnahmeorte im Vintschgau wurden von Erich Seidelmann erhoben.

Als zusätzliche Absicherung zur Transkription nahm Eugen Gabriel im Winter 1964/65 in jedem Aufnahmeort einen Teil der Befragung auf Tonband auf. In den Jahren 1966−1968 wurden in Zusammenarbeit mit Arno Ruoff, dem Leiter der Tübinger Außenstelle des Deutschen Spracharchivs, nach Abschluß jeder Aufnahmeperiode in insgesamt 64 Orten Tonbandaufnahmen erstellt.

Ortstypische Geräte und Gebäude, deren Bezeichnungen über das Fragebuch zu erfragen waren, wurden auf rund 3 500 Photographien festgehalten. Diese werden in einem Abbildungsband veröffentlicht, der die Kommentare zu den Wortatlas-Bänden ergänzt.

Pro Ort sind rund 3 000 Belege notiert worden. Dazu waren durchschnittlich vier, in seltenen Fällen auch fünf und sechs Tage nötig, wobei sich ein Arbeitstag durchschnittlich auf sechs bis acht Stunden belief. Insgesamt umfaßt das erhobene Gesamtmaterial ca. 600 000 Belege. Die angewandte Fragemethode wurde bereits beschrieben im Kapitel zum SBS auf S. 40 ff.

In den Jahren 1982−1984 führte Eugen Gabriel, teilweise unter Mitwirkung von Hubert Klausmann und Renate Schrambke, Nacherhebungen durch: in ganz Liechtenstein, weiterhin in 23 Orten Vorarlbergs, in sämtlichen Aufnahmeorten im Allgäu sowie im angrenzenden Teil Tirols.

Zu Vergleichszwecken und um eventuell sich zeigende „Exploratorengrenzen“ besser erkennen zu können, führte Eugen Gabriel im Sommer 1985 in vier Orten des schweizerischen St. Galler Rheintales Nacherhebungen und in Eichberg bei Altstätten eine vollständige Aufnahme durch.

e) Die computative Bearbeitung

Um das Spontanmaterial besser auswerten zu können, wurden die Belege von Eugen Gabriel in maschinenlesbare Form gebracht. Die Beratung und Programmierarbeit erfolgte durch Bernhard Kelle, der seit 1975 (seit 1985 zusammen mit Guillaume Schiltz) für die computative Bearbeitung des SSA verantwortlich zeichnet.

f) Die Publikation

Die Publikationsform

Der VALTS erscheint in Lieferungen von durchschnittlich 32 Karten, wobei sechs Lieferungen zu einem Band zusammengefaßt werden.

Der erste Band (Lautgeographie I), der von Eugen Gabriel und Hubert Klausmann bearbeitet wurde, umfaßt 210 Karten und wurde im Jahre 1985 veröffentlicht. Zu den Karten sind fortlaufende Kommentarhefte erschienen, die 1985 (als 1. Halbband der Kommentare zu Band I) und 1988 (als 2. Halbband der Kommentare zu Band I) abgeschlossen wurden.

Für den zweiten Band (Lautgeographie II) wurden von Eugen Gabriel bis 1994 zwei Lieferungen mit insgesamt 64 Karten und acht Kommentarheften bearbeitet.

 

Abb. 40:

VALTS – Vorarlberger Sprachatlas, Bd. I, Karte 123 ‘Frühmhd. e in wetschge und Konsonantismus’. Das gesamte Blatt mißt ca. 43 x 28 cm; die Wiedergabe ist hier auf etwa 36% verkleinert.

 

 

Abb. 41:

VALTS – Vorlarlberger Sprachatlas, Bd. I, Karte 61 a ‘Händsche=Handschuh)’ und 61 b ‘Wäntele (=Wanze)’. Die beiden Einzelkarten messen im Original jeweils ca. 16 x 28 cm; sie sind hier auf etwa 32,5% verkleinert. Die Größe des gesamten Blattes mit Legende beträgt ca. 43 x 31 cm.

 

Für Band IV (Wortgeographie I) wurden zwischen 1991 und 1994 drei Lie­ferungen mit insgesamt 96 Karten sowie 17 Kommentarhefte (1. Halbband der Kommentare zu Band IV) und sechs Abbildungshefte publiziert. Bearbeiter waren Eugen Gabriel, Hubert Klausmann und Thomas Krefeld.

Herausgeber aller Bände ist Eugen Gabriel.

Die Gesamtpublikation des VALTS ist auf sechs Bände angelegt, davon sollen zwei Bände lautgeographische, ein Band morphologische und drei Bände wortgeographische Themen enthalten.

In der im Jahre 1985 erschienenen Einführung in den VALTS gibt Eugen Gabriel nach einer Schilderung des Werdegangs des Sprachatlas eine Arbeitshilfe für den Kartenbenutzer. Er beschreibt die Gewährsleute und außerdem den Gang der Aufnahmearbeit. Abgedruckt sind ferner die Protokolle über den Verlauf der Auf­nahmen und der Transkriptionsschlüssel.

Auf eine ausführliche Darstellung der methodischen Grundlagen hat Eugen Gabriel verzichtet, da das Werk im wesentlichen dem Vorbild des SDS gefolgt ist (vgl. Gabriel 1985, S. 5).

Der Inhalt der Bände

Der erste Band des VALTS umfaßt 210 lautgeographische Karten (vgl. Abb. 40 auf S. 94 und Abb. 41 auf S. 96). Die Anordnung des Materials ist wie beim SDS laut­historisch, d. h., daß die heutigen Laute in Bezug gesetzt werden zu den entspre­chenden mhd. Vokalen. Zu jedem mhd. Laut sind möglichst alle im Material vorkommenden Belegwörter berücksichtigt, um so den Allophonbereich genau bestimmen zu können. Das Spontanmaterial ist in den Karten mitverarbeitet.

Die getrennte Darstellung von Problemen der Vokalqualität und -quantität, wie sie der SDS durchführt, konnte im VALTS aufgrund der komplexen lautlichen Probleme im alemannisch-schwäbisch-bairischen Grenzgebiet nicht durchgeführt werden (vgl. Vorwort zu Bd. I). Die Lautkarten enthalten deshalb Informationen sowohl über die Vokalqualität als auch über die Vokalquantität (Vokallänge), wobei im ersten Band die mhd. Kurzvokale und die sog. Positionsdehnungen, im zweiten Band die mhd. Langvokale und die Silbendehnungen (z. B. die Vokaldehnung im einsilbigen Wort und die Dehnung im zweisilbigen Wort in offener Silbe) behandelt werden; der zweite Band wird außerdem die Entsprechungen der mhd. Diphthongphoneme und solche des mhd. Konsonantismus enthalten.

Auch in der Gliederung der Wortatlasbände unterscheidet sich der VALTS von den zuvor erschienenen vergleichbaren Sprachatlanten. Die dort übliche Einteilung des Wortschatzes nach Sachgruppen wird ersetzt durch eine Anordnung nach sprachgeographischen Prinzipien.

In den drei ersten Lieferungen wortgeographischer Karten wurden drei Wörter romanischer Herkunft, die einen Nord / Süd- (deutsch-romanischen) Gegensatz ergeben, behandelt; dieser Gegensatz soll auch in den drei folgenden Lieferungen kartiert werden. Im nächsten Band (Bd. V) werden andere sprachgeographische Unterschiede, d. h. der West / Ost-Gegensatz (Alemannisch ↔ Bairisch), Thema sein.

Die kartographische Gestaltung

Die Grundkarte

Die Grundkarte enthält das natürliche Relief sowie das hydrographische Netz (in Blau) im Maßstab 1 : 450 000. Die Aufnahmeorte sind in ihrer vollen Form neben dem Ortspunkt wiedergegeben. Außer dem eigentlichen Aufnahmegebiet ist auch der östliche Streifen des SDS-Gebietes (Teile der Kantone St. Gallen und Appenzell) sowie Aufnahmeorte aus dem im Süden sich anschließenden Kanton Graubünden abgebildet. Ebenso werden 17 SSA-Aufnahmen (bis zur Höhe von Ravensburg) mitpubliziert.

Die Sprachkarten

Die Darstellung des Materials erfolgte in Form von Zeichen- bzw. Symbolkarten, auf einigen Karten kombiniert mit linearer oder flächenhafter Darstellung. Wo möglich, wurden gleiche Probleme mit gleichen oder ähnlichen Symbolzeichen wiedergegeben.

Sollte ein Lautproblem deutlich hervorgehoben werden, wurde für die ent­sprechenden Symbole eine zweite Druckfarbe verwendet (vgl. Bd. I, 120). Wenn es die Übersichtlichkeit erforderte, wurden zu einem Problem mehrere Karten gezeichnet (vgl. Bd. I, 16, 17). Für regional begrenzte Lautprobleme wurde nur der entsprechende Kartenausschnitt publiziert (vgl. Bd. I, 63a, 63b).

Im Unterschied zu vielen anderen Atlanten interpretieren die Autoren des VALTS ihr Material, soweit es die sachlichen, sprachgeographischen und etymo­logischen Gegebenheiten zulassen. Dieses Verfahren, das in der Einführung zum Wortatlasband eingehend begründet wird, schlägt sich sowohl in den ausführlichen Kommentaren als auch in der Symbolgebung nieder. So erhalten bei den ersten vier Lieferungen des 4. Bandes in einem ersten Schritt diejenigen Bezeichnungen, bei denen man eine romanische Herkunft zugrunde legen kann, ein rotes Symbol. Weiterhin werden in der Regel die Bezeichnungen, die der romanischen Herkunft am nächsten stehen, mit dem auffallendsten Symbol versehen. Anhand der Karte „Der schwarze Alpensalamander“ (Bd. IV, 6) kann diese Vorgehensweise nochmals illustriert werden (vgl. Abb. auf S. 100). Hier erhielten alle Bezeichnungen, die auf lateinisch Quattuorpedia zurückzuführen sind, ein rotes Symbol (Auf der schwarz-weißen Abb. S. 100 Kreissymbole). Dies gilt auch für die Lehnübersetzung Vierfüßler. Das auffallendste Symbol bekommt dabei die Montafoner Bezeichnung Quatterpätsch zugewiesen, da sie dem lateinischen Etymon am nächsten steht (vgl. Klausmann / Krefeld 1991).

 

 

Abb. 42:

VALTS – Vorarlberger Sprachatlas, Bd. IV, Karte 6 ‘Der schwarze Alpensalamander’. Die Originalgröße der Karte ohne Legende beträgt 31 x 28 cm (B x H); sie ist hier auf ca. 32,5% verkleinert.

 

Wo im SDS vergleichbares Material erhoben worden war, wurde dieses von den oben genannten drei Schweizer Kantonen auf den Karten des VALTS mit­veröffentlicht.

Die Legende enthält das Belegwort, Erklärungen zu den Symbolen und ge­nauere Angaben zu einzelnen Orten. Umfangreichere Informationen bieten die getrennt publizierten Kommentare.

Die Kommentare

Zu den Karten wurden Kommentare verfaßt, die die einzelnen Sprachkarten in­terpretieren und die Wahl der Symbolzeichen in kritischen Fällen begründen. Größere Sachgebiete werden ausführlich kommentiert und mit Verweisen auf den Abbildungsband versehen. Außerdem teilt der Herausgeber Beobachtungen bei den Aufnahmen mit und weist auf Transkriptionsschwierigkeiten und -unterschiede bei den Exploratoren hin. (Zu den bisher veröffentlichten Kom­mentaren vgl. S. 98 ff.)